Nach der Razzia bei sechs Mitgliedern einer Telegram-Chat-Gruppe wegen Morddrohungen gegen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sind die ersten Vernehmungen abgeschlossen. Teilweise hätten die Beschuldigten Angaben gemacht, sagte Sabine Wylegalla, Sprecherin der sächsischen Generalstaatsanwaltschaft in Dresden am Donnerstag auf Anfrage. Details nannte sie nicht. Zudem wurden keine Angaben zu den Beschuldigten gemacht. Der Administrator der Chatgruppe habe sich bisher nicht zum Tatvorwurf eingelassen, hieß es. Derzeit sei nicht beabsichtigt, Haftbefehle zu beantragen, da bislang keine Haftgründe nach der Strafprozessordnung vorlägen.
Rund 140 Beamte hatten am Mittwoch die Wohnungen der fünf Männer zwischen 32 und 64 Jahren und einer 34-Jährigen in Dresden sowie ein weiteres Objekt in Heidenau (Sächsische Schweiz) durchsucht. Dabei waren auch drei Armbrüste, Waffen und Waffenteile gefunden sowie Handys, Computer und Speichermedien sichergestellt worden. Die Durchsuchungen dauerten bis zum späten Nachmittag. An dem Einsatz waren rund 140 Beamte beteiligt, darunter - weil auch scharfe Waffen bei den Verdächtigen vermutet wurden - Spezialkräfte des LKA.
Die Beschuldigten stehen unter dem Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Die Deutschen verbindet laut Generalstaatsanwaltschaft die Ablehnung gegen Impfungen, den Staat und die gegenwärtige Corona-Politik. Sie sollen im Chat und bei realen Treffen Mordpläne gegen Kretschmer und weitere Vertreter der Landesregierung geäußert haben. Aufmerksam auf die Morddrohungen im Kommunikationsdienst Telegram waren die Ermittler durch einen Bericht des ZDF-Magazins „Frontal“ von vergangener Woche geworden. Ob die Waffen schussfähig und überhaupt scharfe Waffen seien, müsse nun untersucht werden.
Die Drohungen gegen Kretschmer hatten bei Politikern für Empörung gesorgt. Kretschmer selbst hatte betont: „Wir müssen mit allen juristischen Mitteln gegen solch eine Entgrenzung vorgehen. Menschen, die öffentliche Ämter haben, sollen keine Angst haben müssen, ihre Meinung zu sagen und ihre Arbeit zu machen.“
Bedrohungen gegen Amtsträger, Wissenschaftler und Journalisten seien „nicht hinnehmbar, werden nicht geduldet und werden mit aller Kraft verfolgt“, sagte er am Mittwoch beim Besuch eines Impfzentrums in Leipzig. „Ich bin froh, dass der Rechtsstaat heute im Freistaat Sachsen gezeigt hat, wie wehrhaft er ist.“
Die Regierung habe bereits entschieden, zusätzliches Personal für den Kampf gegen Extremisten zu mobilisieren. In Sachsen und Deutschland dürfe selbstverständlich jeder seine Meinung sagen. „Aber wenn Gewalt ins Spiel kommt, ist Schluss“, sagte Kretschmer. Dann sei eine Grenze überschritten, die nicht geduldet werde.
Härtere Auflagen für Telegram?
Zuletzt waren die Rufe nach härteren Auflagen für Telegram lauter geworden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte der „Augsburger Allgemeinen“ (Mittwoch), Telegram sei einer der zentralen Transportwege für Hass und Hetze im Internet. „Zunächst muss man Telegram die klare Aufforderung machen, Hass und Hetze zu beseitigen und es auch rechtlich verbindlich festlegen“, sagte der CSU-Chef. „Sollte sich dann dieser Dienst nicht bereit erklären, zu helfen, dann gibt es auch Möglichkeiten zu blockieren.“ Dies sei davon abhängig, wie der Dienstanbieter reagiere.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast forderte eine „eindeutige Regelung“. „Die Zukunft der Demokratie wird offenbar im Netz entschieden, deshalb müssen wir endlich aufhören, hinterherzuhinken“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Telegram erlaubt neben individueller Kommunikation auch Gruppendiskussionen von mehreren Tausend Nutzern.
Das Bundesamt für Justiz vertritt die Auffassung, Telegram sei kein reiner Messengerdienst, sondern ein soziales Netzwerk. Folglich gelte für Telegram das Netzwerkdurchsetzungsgesetz – so wie für Facebook und Twitter. Dieses verlangt unter anderem, dass strafbare Inhalte rasch gesperrt oder gelöscht werden. Insbesondere Anhänger der Corona-Leugner-Szene nutzen den Dienst nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz für die Verbreitung ihrer Botschaften und zur Mobilisierung für Demonstrationen und Veranstaltungen.